In letzter Zeit häufen sich die Anfragen, ob es von Yasper nicht eine neue Botschaft zur momentanen Lage gibt. Gestern durfte ich im Gespräch mit einem lieben Freund einen eindrucksvollen Denkanstoß Yaspers weitergeben, den er in eine kleine Geschichte verpackte. Gerne teile ich sie mit dir:

Der göttliche Bäckermeister – Eine Umbruch-Erkenntnis-Geschichte

Ein Bäckermeister, der wahrhaft ein Könner seines Handwerks ist, versorgt schon seit vielen Jahren seine Kunden mit nahrhaften und schmackhaften Broten. Nun nimmt er eine zunehmende Unzufriedenheit bei einigen von ihnen wahr, entstanden aus dem Überangebot von süßen Leckereien anderer Anbieter.

Da er vorhat, seine Produktpalette um ein gesundes Gebäck zu erweitern, entschließt er sich, zur Premiere einige seiner Stammkunden einzuladen. Je zur Hälfte wählt er seine Gäste aus zufriedenen Kunden und aus unzufriedenen aus. Eines ist ihnen gemeinsam: Sie haben keinerlei Ahnung vom Backen.

Auf seiner Einladung steht eine ungewöhnliche Bitte: Jeder von ihnen soll eine der erforderlichen Zutaten besorgen und mitbringen. So kauft einer das Mehl, das aus dem Getreide der letzten Ernte gemahlen wurde, ein anderer geht zum Bauern und kauft Milch. Ein Dritter wiegt den bestellten Zucker ab, ein Vierter packt Salz ein, das vor Millionen Jahren aus einem verdunsteten Urmeer entstanden ist. Ein Weiterer hat den Auftrag, Rosinen einzukaufen und wundert sich, wozu der Bäckermeister wohl die vertrockneten Beeren braucht. Auch ein Stück Butter wird gebraucht und vom dazu Beauftragten besorgt. Am meisten wundert sich ein Gast über eine ihm unbekannte Zutat, die er beschaffen soll: Hefe!? Als er den kleinen Würfel in den Händen hält, bringt ihn seine Neugier dazu, die Verpackung zu öffnen und an dem Unbekannten zu riechen. Alleine schon der komische Geruch und die unappetitliche Farbe führen zu seiner Überzeugung, dass ein Gebäck, das damit hergestellt wird, ungenießbar sein muss. Der achte Eingeladene packt die georderten Eier ein und erscheint damit, ebenso wie die anderen, pünktlich beim Bäckermeister.

Da stehen sie nun und betrachten, teils interessiert, teils kopfschüttelnd, alle Zutaten, die auf dem Tisch stehen. Bedächtig beginnt der Bäckermeister, das genau abgewogene Mehl in eine Schüssel zu sieben und eine kleine Mulde zu bilden, in die er die zerbröselte Hefe gibt. Angewidert schüttelt der Mitbringer dieser Zutat den Kopf. Das kann ja nichts Gutes werden! Leise flüstert er seine Schlussfolgerung dem neben ihm Stehenden zu. Auch die kleine Menge Zucker, die darübergestreut wird, verändert seine Meinung nicht. Nach dem Zufügen der lauwarmen Milch und dem vorsichtigen Zusammenrühren mit wenig Mehl nimmt der Bäckermeister ein Tuch und deckt das Ganze zu.

Und jetzt? Einladend zeigt er auf einen Tisch und neun Stühle und geht ihnen voraus. Als alle zusammensitzen, fragt er sie nach dem Brot, das sie von ihm kaufen und danach, ob es sie bis jetzt gut genährt hat. Die Zufriedenen danken ihm für seinen Dienst, die Unzufriedenen verziehen abfällig den Mund und erklären, dass sie dem Gewohnten seit Langem überdrüssig sind und etwas Neues, Besseres von ihm erwarten.

Der Bäckermeister lächelt und erklärt: „Ihr bekommt etwas Besseres. Die Zutaten dazu habt ihr ja selbst mitgebracht.“ Nach diesen Worten steht er auf und verlässt den Raum. Ein Durcheinander an Stimmen entsteht. Die Oberhand gewinnen die lauten Unzufriedenen, während sich die Zufriedenen nach einem kurzen und vergeblichen Versuch, die anderen an die jahrelangen treuen Dienste des Bäckermeisters zu erinnern, zurückhalten.

Endlich kehrt der Gastgeber zurück und bittet die Gäste an den Arbeitstisch. Wie erstaunt sind sie, als sie sehen, dass sich – wie von Zauberhand – das Mehlgemisch vergrößert hat. Nun beginnt der Meister, die anderen Zutaten einzuarbeiten und dabei den Teig kräftig durchzuschlagen. Dass ein feines Gebäck so malträtiert wird, können nicht einmal die Bewunderer des Bäckermeisters verstehen. Wie lange soll denn diese brutal anzusehende Vorstellung noch dauern? Zu allem Überfluss werden sie auf eine weitere Geduldsprobe gestellt, denn der Meister deckt ein zweites Mal den entstandenen Teig zu. Wieder verlässt er den Raum und überlässt die Gäste und sein Werk sich selbst. Es entstehen zwei Lager: Die Unzufriedenen überlegen lautstark, aus dem Ganzen auszusteigen, während die Zufriedenen sich an den Tisch setzen, und im Vertrauen auf das Wissen und Können des Gastgebers ein bereicherndes Gespräch führen. Ihnen kommt die Wartezeit, im Gegensatz zu den Hetzern, gar nicht so lang und schon gar nicht sinnlos vor. Als der Bäckermeister zurückkehrt, verstummen die Schimpfenden, während die Nachsinnenden neugierig an den Backtisch treten.

Was die Gäste nicht wissen, ist, dass der Gastgeber sie die ganze Zeit seiner scheinbaren Abwesenheit durch ein verborgenes Fensterchen beobachtet und belauscht hat.

Wie erstaunt sind sie alle, als er nun das Tuch lüftet: Der Inhalt der Schüssel hat sich mittlerweile verdoppelt! Erst jetzt steigt ihnen der feine Geruch des Teigs in die Nase. Mit neu erwachtem Interesse verfolgen sie die weitere Handlung des Meisters: Er formt zwei längliche Stollen und legt sie auf ein Backblech. Werden sie nun endlich Zeugen, wie aus dem Teig ein Gebäckstück wird? Nein, denn ein drittes Mal erfordert die Zubereitung Geduld: Erneut wird der Teig mit einem Tuch bedeckt.

Erst das dritte Ruhen führt zum gewünschten Ergebnis: Endlich schiebt der Meister das Blech in das vorgeheizte Backrohr. Langsam zieht ein köstlicher Duft von frischgebackenem Hefekuchen durch den Raum. Das Wasser läuft den Gästen im Mund zusammen, als der Bäckermeister schließlich das Meisterwerk aus dem Ofen holt und zum Abkühlen beiseitestellt.

Ein halber Tag ist seit dem Eintreffen der Gäste vergangen, bis sie endlich ein Stück des neuen Gebäcks genießen dürfen: bestrichen mit frischer Butter und fruchtiger Konfitüre. Nun sind alle vom Können und Wissen des Bäckermeisters überzeugt und wissen die gewissenhafte Zubereitung zu schätzen.

Worin liegt nun die Erkenntnis der geladenen Gäste? Es braucht viele Zutaten und viele Menschen, die diese Zutaten anbauen, ernten, verarbeiten und zusammentragen, obwohl sie das endgültige Produkt nicht erkennen können. Erst durch das Wissen und umsichtige Handeln eines Meisters, der noch vor Beginn der Zubereitung das fertige Produkt in seinem Herzen trägt, der um die richtige Zubereitung weiß und die nötige Ruhe und Geduld besitzt, entsteht ein Zwischenprodukt. Kraftaufwand ist nötig, um das Ganze durchzumengen – und schließlich eine hohe Temperatur, um aus dem zähen Teig ein luftiges, köstliches Gebäck entstehen zu lassen, zum Wohle vieler.

Was diese Geschichte mit den Umständen und Umbrüchen zu tun hat, die im Moment weltweit die Menschen bewegen, verunsichern, erzürnen? Wenn du dir ehrlich eingestehst, zu welcher Gruppe der Eingeladenen du gehörst, wirst du das Erzählte verstehen …

In geschwisterlicher Liebe

Ingrid